Umgeknickt - was nun? Hier erfährst du, was du über Verletzungen und Heilungsphasen als Sportler unbedingt wissen solltest.
Wichtig ist vorab zu sagen: Wir sind Trainer – keine Physiotherapeuten oder Ärzte. Medizinisches Fitnesstraining /-planung erfolgt immer auf individuellen Kundenwunsch. Bei komplexen, akuten oder schmerzhaften Beschwerdebildern empfehlen wir grundsätzlich, Fachleute aufzusuchen. Wir stellen weder Diagnosen, noch empfehlen wir medikamentöse oder physiotherapeutische Therapien.
Selbstredend ist also, dass die zusammengestellten Informationen keine medizinische oder ärztliche Beratung darstellen und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wir möchten euch einen grundlegenden Überblick zu folgenden Themen geben:
- Teil 1: Wundheilungsphasen nach Verletzungen
- Teil 2: Gewebeschwingzeiten und Gewebearten
- Teil 3: Entzündungszeichen
Teil 1: Wundheilungsphasen
Verletzungen passieren leider – häufig sogar bei alltäglichen Tätigkeiten. Zum Glück setzt der Körper nach jeder Verletzung unmittelbar einen Reparationsprozess in Gang.
Der Wundheilungsprozess verläuft in mehreren Phasen, mit dem Ziel, beschädigtes Gewebe und damit den körpereigenen Schutz gegenüber der Umwelt weitestgehend wiederherzustellen.
Für jede dieser Phasen unterscheiden sich die spezifischen Trainingsprozesse. Dabei dürfen die Phasen nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr gehen sie ineinander über. Je nach Art der Verletzung, Verletzungsgröße und individuellen Patientenfaktoren können die Phasenlängen variieren.
Wichtig zu wissen: Wundheilung kann zwar durch passive oder aktive Maßnahmen unterstützt, der Zeitraum bis zur Wiederherstellung aber nicht entscheidend verkürzt werden (Vgl. Freese, J. Medizinische Fitness, Köln, 2003).
Die Entzündungsphase
vaskuläre Phase: 1. – 2. Tag
Diese akute Phase ist geprägt von Schonung und Entlastung. In den ersten zwei Tagen nach einer Verletzung versucht der Körper durch Gefäßverengungen die Blutung möglichst gering zu halten.
Zelluläre Phase: ca. 2. – 5. Tag
Jetzt starten die ersten Aufräumarbeiten – die Wunde wird geschlossen. Das Gewebe reagiert mit den typischen Entzündungszeichen: Rötung, Schwellung, Wärme und Schmerz.
Die Ödem-Bildung ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Verletzung. Mit dem Anschwellen werden z. B. weiße Blutkörperchen zum verletzten Gebiet transportiert, die Bakterien und abgestorbenes Gewebe beseitigen sollen. Einige Autoren raten deshalb davon ab, Schwellungen mit Maßnahmen von außen (z. B. Kühlung) abzuwehren (Vgl. Bert A.M, van Wingerden PhD., 1996).
Schwellungen können jedoch auch negative Begleiterscheinungen haben; zum Beispiel verschlechtert sich die Synovialflüssigkeit („Gelenkschmiere“) bei Gelenkschwellungen oder die Rehabilitationszeit verlängert sich durch länger eingeschränkte Strukturen.
Generell gilt: Bei Zerrungen und Faserrissen darf in der Entzündungsphase der Muskel nicht gedehnt werden. Ein Ziehen oder Stechen sind deutliche Anzeichen dafür, dass die Belastung reduziert werden sollte.
Die Proliferationsphase (ca. 5. – 21. Tag)
In dieser Phase ist der Bedarf an Sauerstoff und Nährstoffen besonders hoch – es bildet sich bereits unspezifisches Kollagen Typ III (Bindegewebe). Bindegewebe ist für den Körper unverzichtbar, denn es erhält Organformen aufrecht und schützt vor Beschädigungen, dient als Wasserspeicher und spielt als Ort von Abwehrreaktionen gegen Krankheitserreger eine zentrale Rolle. Die Wundheilung geht vom Bindegewebe aus.
In dieser Phase setzen moderate Belastungen entsprechende Reize für das neu gebildete Gewebe und dessen Ausrichtung (z. B. aerobes Ausdauertraining und isometrische Kraftbelastungen).
Außerdem müssen zu diesem Zeitpunkt propriozeptive Trainingsreize gesetzt werden. Das sensomotorische Training ist ein koordinatives Training auf instabilen Untergründen wie Weichmatten, Schaumkissen, Trampolinen oder Wackelbrettern.
Was bedeutet Propriozeption?
Die Situation kennen sicher die meisten: Ein Moment der Unachtsamkeit und wir stolpern über einen Stein – aber in letzter Sekunde erlangen wir das Gleichgewicht wieder und können somit den Sturz verhindern. Diese „Vorausahnung“ des Körpers, eine Ausgleichsbewegung einzuleiten, ist mit dem Begriff Propriozeption gemeint. Laut Definition bezeichnet der Begriff die Wahrnehmung der Körperlage und -bewegung im Raum (Tiefensensibilität). Sie setzt sich aus folgenden drei Fähigkeiten zusammen:
- Stellungssinn: In welcher Position befindet sich der Körper im Raum?
- Kraftsinn: Wie stark sind Muskeln und Sehnen angespannt?
- Bewegungssinn: In welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit erfolgt die Bewegung?
Kleine Körperrezeptoren (Propriozeptoren), die sich in Muskeln, Sehnen, Bändern, Gelenken und im Bindegewebe befinden, geben im Falle eines Sturzes diese Informationen an verarbeitende Zentren im Gehirn weiter, die dann Muskeln und Co. zu Ausweichreaktionen veranlassen.
Wie funktioniert die Propriozeption?
Unter der PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) wird ein Behandlungssystem verstanden, das auf Basis afferenter Nervenbahnen Rückmeldung körpereigener Signale muskuläre Impulse setzt.
Bei einer Muskelkontraktion erfolgt die Reizleitung vom Gehirn zur Muskulatur über sogenannte efferente Bahnen. Die Rückmeldung von der Muskulatur zum zentralen Nervensystem erfolgt über die sogenannten afferenten Bahnen. Diese Rückmeldung wird bewusst durch wackelige Unterlagen zur Instabilität des Gesamtsystems genutzt. Der Sportler steht somit im Ungleichgewicht und muss gezielt über die Rückmeldung (Afferenz) das Körpergleichgewicht halten bzw. Wiedererlangen. Durch EMG- Messungen (Elektromyographie) konnte nachgewiesen werden, dass bei dieser Art der muskulären Belastung die Muskelfasern im Muskel bis in tiefe Bereiche stattfindet.
Das Training sollte immer im schmerzfreien Bereich ablaufen, um zu verhindern, dass zu hohe Belastungen zu erneuten Verletzungen des Gewebes führen. Die zeitlichen Übergänge zwischen den einzelnen Phasen sind fließend.
Die Reparationsphase (ca. 21. – 300. /500. Tag – je nach Verletzung)
Diese Phase wird auch als Umbau- oder Remodelingphase bezeichnet. Es kommt zum Umbau vom unspezifischen Kollagen Typ III zum spezifischen Kollagen Typ I (wichtig zum Beispiel für die Strukturbildung und mechanische Festigkeit von Gewebe). Das Gewebe gewinnt an Stabilität und Elastizität.
Nur durch ständig wiederkehrende Belastungsreize kann sich das Gewebe ausreichend regenerieren und zu seiner ursprünglichen Form und Belastbarkeit zurückfinden. Jetzt sollten dosierte dynamische und isometrische Belastungsreize eingesetzt werden, die für eine Ausrichtung der Kollagenfasern sorgen. Trainingsbelastungen sollten progressiv gesteigert werden. Durch die Erhöhung der Krafttrainingsintensität werden zunehmen die schnellen Muskelfasern (FT-Fasern) gebildet, welche maßgeblich für spätere notwendige Maximalkraft- und Schnellkraftleistungen sind.
Anpassungsprozesse verlaufen dann optimal im Heilungsprozess, wenn unter hohen Gewichtsbelastungen der Muskulatur der Körper im sogenannten „Turn Over“ qualitativ hochwertiges Kollagen bildet und eine belastungsstabile Muskulatur ausgeprägt wird (Vgl. Untersuchungen durchgeführt von Bert A.M, van Wingerden PhD., 2002.).
Jedes Gewebe unterliegt einem ständigen Auf- und Abbau, den man als Turnover bezeichnet. Durch unsere alltäglichen Aktivitäten erhalten wir die Qualität und Quantität unserer Gewebe.
Ein positiver Nebeneffekt von hohen Krafttrainingsreizen liegt in der Regeneration von Knochensubstanz, da es hierdurch zur vermehrten Einlagerung von Calcium kommt, das den Knochen sehr viel belastungsstabiler werden lässt (Stichwort: Osteoporoseprophylaxe) (vgl. Dr. Axel Gottlob, Differenziertes Krafttraining, 3. Auflage, München, 2009).
Folgende Faktoren können denn Neuaufbau von Gewebe negativ beeinflussen:
- Verwendung von Eis und Kompression
- Kortison
- Vitamin C Mangel
- Mangel an essenziellen Aminosäuren
- Alkoholkonsum, Rauchen
Zusammenhänge der Wundheilung für die Praxis:
- Verletztes Muskelgewebe ist in keinem Fall vor Ablauf einer dreiwöchigen Frist belastungsstabil!
- 6 Wochen nach einem Bandscheibenvorfall sind 50% der Zugstärke im Diskus wiederhergestellt.
- Nach Bandverletzungen dauert die Reparationsphase bis zu 300 Tagen (operativ rekonstruierte Bänder haben erst nach 9 Monaten den Ist-Zustand vor der OP erreicht).
In Teil zwei gibt es einen Überblick über die "Gewebeschwingzeiten" und den daraus resultierenden unterschiedlich schnell verlaufenden Anpassungs- und Heilungsverlauf.