In Teil 2 unserer Blog-Reihe fassen wir zusammen, welche Gewebearten häufig von orthopädischen und traumatologischen Beschwerden betroffen sind und welchen Einfluss ihre jeweils unterschiedlichen Stoffwechselaktivitäten auf den Heilungsverlauf haben.

Hinweis vorab: Die zusammengestellten Informationen stellen keine medizinische oder ärztliche Beratung dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 

Gewebeschwingzeiten und Gewebearten

Im orthopädischen und medizinischen Training sind hauptsächlich die folgenden Gewebearten betroffen:

  • Knochen
  • Muskulatur
  • Sehnen, Bänder, Kapseln
  • Knorpel

Die verschiedenen Gewebe bestehen nicht nur aus unterschiedlichen Strukturen, sondern unterscheiden sich auch in ihrer Stoffwechselaktivität: aktiv versus träge. Je nach Aktivitätsgrad stellt sich ein anderer Anpassungs- und Heilungsverlauf ein. Stoffwechselaktives Gewebe kann sich schneller an einen Reiz anpassen, heilt also schneller.

Woran liegt das?

Einige Gewerbearten wie zum Beispiel das Hautgewebe sind stark mit Blutgefäßen durchzogen und werden sehr gut durchblutet. Andere Gewebe wie etwa hyaliner Gelenkknorpel* können nur durch Diffusionsprozesse** ernährt werden.

Die Länge der Reha-Phasen basiert auf der Kenntnis der folgenden Gewebeschwingzeiten (vgl. Freese, 2001). Je länger diese ist, desto langsamer erfolgt die Anpassung und desto vorsichtiger sollten Trainingsreize gesetzt werden:

  • Hautgewebe: 2 Tage
  • Gelenkflüssigkeit: 7-10 Tage
  • Muskelgewebe: 3-4 Wochen
  • Nucleus pulposus (innerer Gallertkern der Bandscheibe): 2-4 Wochen
  • Knochengewebe: 4-6 Monate
  • Lymphgefäßgewebe: 4-6 Monate
  • Anulus fibrosus (äußerer Faserring der Bandscheibe): 1-1,5 Jahre
  • Sehnen-/Kapsel-/Bandgewebe: 1-1,5 Jahre
  • Knorpelgewebe: 200-400 Jahre

Die Gewebearten

Knochen sind Teil des passiven Bewegungsapparates und bilden das Stützkorsett des menschlichen Körpers.  Der Knochen befindet sich in einem stetigen Umbauprozess durch Osteoblasten*** und Osteoklasten****. Die Struktur von Knochen ist schwammartig und orientiert sich an Zugkräften, die auf den Knochen einwirken. Entlang der Zuglinien bilden sich vermehrt Knochenbälkchen (Trabekel) im Knochen, welche die Knochenstruktur belastbarer machen.

Im medizinischen Training hat man häufig mit traumatologischen Fällen zu tun: Meist sind Gelenke betroffen, die durch verschiedenste Unfälle verletzt wurden. Auch im Kontext degenerativer Erkrankungen kann der Knochen mittelfristig in den Fokus rücken – wenn eine Operation notwendig wird. Beispiele: knöcherne Sehnenabrisse, künstlicher Gelenkersatz.

Die Muskulatur ist Teil des aktiven Bewegungsapparates und ist eine sehr stoffwechselaktive Gewebeart. Es ist im Rahmen der medizinischen Trainingstherapie dann betroffen, wenn es zu Sportverletzungen und operativen Eingriffen gekommen ist.

Sehnen stellen die Übergangsverbindung von Muskulatur zum Knochen dar und sind bei vielen Sportunfällen betroffen. Durch Überbelastungen, die durch einseitige, ungewohnte Bewegungsabläufe verursacht werden, oder durch falsches Training mit zu schneller Belastungssteigerung, kann Sehnengewebe geschädigt werden. Die Ursache ist hier in den unterschiedlichen Schwingzeiten der Gewebe zu suchen: Muskulatur adaptiert schneller an einen Reiz, als Sehnengewebe oder der stärker mineralisierte Sehnenübergang zum Knochen. 

Dies tritt durch Sehnenansatzentzündungen in Erscheinung. 

Knochenansatzbeschwerden können auch bei Ligamenten (Bändern) auftreten. Sie sind auch am Knochen befestigt und übernehmen Stütz- und Fixierungsaufgaben. Die meisten Bänder bestehen aus straffen (also unelastischem), parallelfaserigem Bindegewebe, das Typ 1 Kollagenfasern enthält. Einzelne Bänder haben auch elastische Eigenschaften. Gelenkkapseln weisen einen ähnlichen Aufbau auf, da es sich bei ihnen auch um kollagene, eng verwebte Faserstrukturen handelt.

Bei echten Gelenken sind die beiden knöchernen Gelenkpartner mit hyalinem Gelenkknorpel überzogen. Die Aufgabe des Knorpels besteht im Abfangen von Stößen, dem Schutz des Knochens und im Ausgleichen von Unebenheiten der Gelenkpartner. Je größer die Auflagefläche zwischen beiden Gelenkpartnern, desto geringer ist der Druck bzw. die Belastung für das Gelenk. 

Da mit der Schließung der Wachstumsfugen im Jugendalter der Knorpel nicht mehr direkt durch Blutgefäße versorgt ist, kann sich dieser nur über Diffusionsprozesse ernähren. Diese Aufgabe übernimmt allen voran die Synovialflüssigkeit (Gelenkschmiere), die von den Zellen der Kapselinnenwand produziert wird.

Der Knochen ist mit Nervenenden und Blutgefäßen versorgt. Sollte es zu arthrotischen Veränderungen im Gelenk gekommen sein, hängen Gelenkschmerzen auch mit dieser Knochenzone zusammen.

Im dritten Teil stellen wir die häufigsten Entzündungszeichen vor.


* Hyaliner Knorpel hat eine hohe Druckelastizität, deshalb findet man ihn überall dort, wo hauptsächlich Druckbelastungen auftreten (wie z. B. in den meisten Gelenkflächen).

** Diffusion: Phänomen des Stofftransports, bei dem es aufgrund einer ungerichteten, zufälligen thermischen Teilchenbewegung zur Selbstdurchmischung einer Lösung (also der Verteilung eines gelösten Stoffs im Lösungsmittel) kommt.

*** Osteoblasten sind spezialisierte Knochenzellen, die aus dem embryonalen Mesenchym entstehen. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Synthese der kollagenen Knochenmatrix (vorwiegend Kollagen Typ 1).

**** Osteoklasten sind mehrkernige Riesenzellen, die durch Fusion von mononukleären Vorläuferzellen aus dem Knochenmark entstehen. Sie gehören zum mononukleär-phagozytären System (MPS). Ihre Hauptaufgabe ist die Resorption der Knochensubstanz.